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NOT ANOTHER PRETTY PICTURE

Immer mehr Künstlerinnen und Künstler wenden sich von der reinen Wandmalerei ab und beschäftigen sich mit umfassenderen urbanen Interventionen jenseits rein ästhetischer oder dekorativer Ziele. Dadurch, dass sie über traditionelle Ästhetiken hinausgehen, werden diese Werke oft zu Plattformen für gesellschaftspolitische Kommentare. Sie fordern uns auf, unter der Oberfläche verdeckte Nachrichten zu entschlüsseln, und animieren zum Nachdenken.

Wie kann es aber mithilfe der Kunst gelingen, tiefer greifende Themen zu diskutieren, soziale und philosophische Fragen zu erörtern und die Handlungen der Politik zu kommentieren?

Ein Ansatz sind interaktive und partizipatorische Projekte, bei denen Bewohnerinnen und Bewohner eines Quartiers eingeladen sind, sich mit Kunst im öffentlichen Raum zu beschäftigen. Solche Projekte bewirken eine stärkere Verbindung zwischen Kunstwerk und Publikum: Aus Betrachtenden werden Teilnehmende. Indem sie die Gemeinschaft einbeziehen, machen Künstlerinnen und Künstler auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam, verleihen ihrer Arbeit Relevanz und vermitteln den Teilnehmenden ein Gefühl von Eigenverantwortung.

Einführung

Du hast bestimmt schon bemerkt, dass viele Künstlerinnen und Künstler sich von der traditionellen Wandmalerei abwenden. Sie gehen einen Schritt weiter und greifen direkt in den städtischen Raum ein und schaffen urbane Interventionen. Aber was bedeutet das genau?

Stell dir vor, du spazierst durch dein Viertel und stolperst über ein Kunstwerk, das mehr ist als nur schöne Dekoration. Es spricht dich direkt an, vielleicht sogar mit einer politischen Botschaft oder einer unerwarteten Frage. Es lädt dich ein, nicht nur hinzusehen, sondern mitzumachen. Genau das passiert bei urbanen Interventionen. Hier geht es nicht nur darum, die Stadt hübscher zu machen, sondern um echte Auseinandersetzung und oft auch um ein Statement.

In diesem Kapitel erfährst du, wie Künstlerinnen und Künstler die Bewohner eines Viertels durch interaktive und partizipative Projekte einbeziehen. Sie ermutigen die Menschen, aktiv zu werden, mitzudenken und mitzugestalten. Anstatt einfach nur zuzuschauen, werden die Menschen Teil des Prozesses.

Diese Art von Kunst schafft eine tiefere Verbindung zwischen den Kunstwerken und uns als Publikum. Es ist eine Einladung, aus der passiven Rolle herauszutreten und aktiv teilzunehmen. Urbane Interventionen öffnen Türen zu neuen Erfahrungen und lassen uns unsere Umgebung mit anderen Augen sehen.

Jazoo Yang

Die Mixed-Media-Künstlerin Jazoo Yang verfolgt ihren ganz eigenen Ansatz von Urban Art. Oft erschafft sie ortsbezogene Installationen, bei denen sie gefundene Materialien verwendet. Diese Arbeiten spiegeln Vergangenes und Historisches wider, das schichtweise im urbanen Raum verborgen ist.

Yang wurde 1979 in Südkorea geboren und hat schon gleich zu Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn einen originellen Start hingelegt: Sie verbrachte ihre Wochenenden auf unbeaufsichtigten Baustellen und bemalte dort die Wände der halb abgerissenen Gebäude, ließ sich die Geschichten der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner erzählen. Die persönlichen Geschichten, die sie über Vertreibung und Veränderung hörte, beeinflussten ihre Kunst tiefgreifend.

Später beschloss Yang, ein verlassenes Haus mit ihrem Daumenabdruck zu überziehen. Dies war der Beginn ihrer Serie Dots, mit der sie international bekannt wurde. Vielleicht fragst du dich, was daran so besonders ist? Nun, in Korea hat der Daumenabdruck, der „Jijang“, eine enorme Bedeutung – er kann einen Hausverkauf oder Abriss besiegeln, ähnlich einer Unterschrift. Yang überträgt diese symbolische Kraft in ihre Kunst, indem sie Daumenabdrücke auf verlassene Strukturen setzt, um den fortschreitenden Wandel in der Stadt zu hinterfragen.

Hier in der Ausstellung kannst du ein beeindruckendes Werk aus ihrer Dots-Serie sehen, das im Museum in einer gemeinschaftlichen Aktion entstanden ist. Yang lud dafür Berliner Seniorinnen und Senioren ein, mit ihr zusammen Daumenabdrücke an die Museumswände zu setzen. Sie alle sind Mitglieder der Gruppe „Omabunker“ und leben im Seniorenheim Frobenstraße 94. Im Verlauf des Projekts gab es reichlich Gelegenheit, die Lebensgeschichten aller gegenseitig zu teilen.

Jazoo Yang verwendet den Daumenabdruck – oder „Jijang“ – in ihrem Werk. Was bedeutet er in Korea?
ART QUIZ
An Gebäuden angebracht bedeutet er „bereit zum Abriss“
Er ist gleichwertig mit einer Unterschrift
Er dient zur Verurteilung von Menschen
Absenden
Gelöst

Painting Dhaka Project

In Lukas Zeilingers Werk kannst du die Macht der Kunst als soziale Kraft erleben. Lass dich davon inspirieren, wie künstlerische Zusammenarbeit positive soziale Veränderungen herbeiführen kann. Seine Projekte zielen darauf ab, einen starken Gemeinschaftsgeist zu schaffen und einen Prozess der Selbstermächtigung anzustoßen.

Sein partizipatives Kunstprojekt Painting Dhaka führte ihn in die Hauptstadt von Bangladesch. Dort unterrichtete er Graffitikunst in den ärmsten Gegenden der Stadt, wo er den Kindern ermöglichte, sich selbst auszudrücken und sichtbar zu werden. Graffiti erwies sich als ein bedeutendes Werkzeug der Selbstermächtigung.

Zeilinger war von der Zusammenarbeit mit den jungen Menschen tief berührt. Aus einem anfänglichen Kunstprojekt entwickelte sich mehr, wie er selbst berichtet: „Je länger ich Zeit mit den Kindern verbrachte, desto tiefer wurde unsere Verbundenheit. Es war eine Freundschaft, die mich mit großer Freude und tiefer Traurigkeit erfüllte. Ich konnte nicht anders, als einen tieferen Blick hinter die Fassade eines mir kurz zuvor völlig fremden Landes und seiner Hauptstadt zu werfen.“ Aus dieser Erfahrung entstand der einfühlsame Dokumentarfilm Painting Dhaka – ein Film über Ausweglosigkeit und deren Überwindung, unterstützt durch die Kunst. In dieser Ausstellung kannst du eine Dokumentation des beeindruckenden Projekts sehen.

Lukas Zeilingers ONE WALL im Außenraum Local Legends: Spandau – A Painting Dhaka Project ist ebenfalls eine Gemeinschaftsaktion. Um dieses Werk zu sehen, musst du eine kleine Reise machen: Am Blasewitzer Ring 12 in Berlin-Spandau steht ein Parkhaus, dessen Fassade er für das Kapitel LOVE LETTERS IN THE CITY gestaltet hat. Eine Besonderheit dabei ist, dass er den Entwurf in einer Gemeinschaftsaktion mit Jugendlichen vom Jugendclub B18 von outreach mit dem Ziel entwickelt hat, ihre sozialen Perspektiven zu berücksichtigen. Der kulturelle Einfluss von Graffiti fördert die Zusammenarbeit, den gegenseitigen Respekt und ein stärkeres Gefühl der Solidarität unter den Mitgliedern der Gemeinschaft.

INFORMATION

Die vor Ort gezeigten Fotografien des ONE WALL und C-WALL Wandbilder Local Legends: Spandau dokumentieren die Strahlkraft der Ausstellung vom Museum in die Stadt und sind Teil des Kapitels LOVE LETTERS IN THE CITY.

Foto © Nika Kramer
Was ermöglicht Lukas Zeilinger mit seinem Painting Dhaka Project?
ART QUIZ
Die eigene Umgebung mitzugestalten
Die Ausdrucksfähigkeit zu stärken
Selbstermächtigung
Absenden
Gelöst