SPACE HACKING
Der urbane Raum ist öffentlicher Raum. Immer wieder fordern Künstlerinnen und Künstler den Status quo heraus. Sie erobern sich die Straße zurück und spielen dadurch im Quartier eine wesentliche Rolle. Die alternativen und oft randständigen Orte, die sie wählen, geben Stadtgemeinschaften ein Gefühl von Identität, von Zugehörigkeit und bieten Ausdrucksmöglichkeiten für Menschen, die sich vielleicht nicht vollkommen mit dem Mainstream identifizieren.
Um der Globalisierung und gleichmachenden Stadtentwicklung etwas entgegenzusetzen, werden ortsspezifische und ortsbezogene Kunstwerke geschaffen, die sich nicht von einer Urbanisierung, die häufig mit Kommerzialisierung einhergeht, vereinnahmen lassen. Indem sie sich vernachlässigte und übersehene Räume aneignen, gestalten Künstlerinnen und Künstler einen Widerstand und formulieren einen von einem Teil der Gesellschaft akzeptierten Kommentar, der oft organisch als Reaktion auf gesellschaftliche Probleme oder ein bestimmtes politisches Klima reagiert.
Installationen im Stadtraum sind vielfältig – von humorvoll bis nachdenklich stimmend. Ob zeitgebunden oder dauerhaft, groß oder klein, diese Transformationen helfen uns, die Stadtlandschaft mit neuen Augen zu betrachten und neu zu interpretieren. Sie können flüchtig sein, aber dennoch einen bleibenden Eindruck hinterlassen und unsere Wahrnehmung der städtischen Umgebung hinterfragen.
Einführung
Hast du jemals die Regeln deiner Stadt infrage gestellt? Der urbane Raum ist öffentlicher Raum und Künstlerinnen und Künstler erobern die Straßen mit ortsspezifischen und ortsbezogenen Kunstwerken zurück, die sich dagegen wehren, von der allgemeinen Urbanisierung vereinnahmt zu werden. Sie nutzen den urbanen Raum als ihre Leinwand, um gesellschaftliche Normen und gängige Vorstellungen herauszufordern. Ihre Werke sind mehr als nur Kunst – die Künstlerinnen und Künstler erzeugen Aktionen in städtischen Umgebungen.
Ihr Engagement für Unabhängigkeit kann als Ermutigung dienen, auch im vernachlässigten Stadtgebiet einen kreativen Widerstand zu formulieren. Ob groß oder klein, kurzlebig oder dauerhaft – die einfallsreichen und oft humorvollen Kunstwerke, die sich in den öffentlichen Raum „hacken“, sind vielfältig und hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
In diesem Kapitel wirst du ermutigt, über die Bedeutung des öffentlichen Raums nachzudenken und zu erkennen, wie wir alle die Stadt mitgestalten können.
Bordalo II
Hast du schon erkannt, aus welchem Material das Kunstwerk von Bordalo II besteht? Aus recycelten Plastikflaschen und LEDs! Die Installation ist Teil seiner Serie von Lichtkunstwerken, die er in der Pandemie gestartet hat. Diese trug er hinaus in die Straßen und hat so seine Heimatstadt Lissabon mit Farbe und Leben geflutet – und gleichzeitig gezeigt, wie umweltbewusst Kunst sein kann. Seine Kunstwerke sind über den ganzen Erdball verteilt – von Singapur bis Brasilien, von Europa über die USA bis Französisch-Polynesien.
Bordalo II, auch bekannt als Artur Bordalo, studierte ursprünglich Malerei, arbeitet aber inzwischen hauptsächlich mit Abfall. Er kreiert riesige Kunstwerke und Installationen aus weggeworfenen Sachen. Skulpturen von Tieren aus altem Kram scheinen ihren Lebensraum zurückzuerobern. Das ist seine Art, die Umweltverschmutzung anzuprangern und uns zum Nachdenken über unseren Konsum anzuregen.
Seit über einem Jahrzehnt sammelt er Materialien, die einfach weggeschmissen wurden – ganze 225 Tonnen bisher! Seine Werke sind nicht nur sehr beeindruckend, sondern haben auch eine Message: Wir sollten weniger verschwenden und mehr recyceln.
INFORMATION
Dieses Werk lässt sich aus dem Obergeschoss besonders gut betrachten.
HA Schult
Der 1939 geborene Künstler HA Schult gilt international als Pionier von Aktionskunst im öffentlichen Raum. Er machte schon vor über 50 Jahren auf ökologische Themen aufmerksam – lange bevor Umweltschutz in der öffentlichen Debatte vorkam. Für seine Objekte und Installationen aus organischem Material erfand er in den 1960er Jahren den Begriff „Biokinetik“. Durch einen natürlichen Zersetzungsprozess veränderten sich diese Kunstwerke im Laufe der Zeit.
Weltweit bekannt wurde er mit seinen Trash People. Das sind lebensgroße Figuren aus Müll. In Massen aufgestellt machen sie uns an politisch bedeutsamen Orten wie auf der Chinesischen Mauer, dem Roten Platz in Moskau und sogar in der Arktis auf die globale Umweltzerstörung aufmerksam. Schult sagt dazu: „Die Trash People sind ein Bild von uns selbst. Wir produzieren Müll und werden zu Müll.“
Die in der Ausstellung präsentierten Fotografien sind die Dokumentation seines Projekts Love Letters. 2001 rief er öffentlich dazu auf, persönliche Bekenntnisse zur Liebe zu verfassen. Daraufhin erhielt er über 100.000 Briefe. Die schönsten davon wurden gescannt, vergrößert und auf ein wasserfestes, papierähnliches Material gedruckt. Anschließend überzog er das große ehemalige Postfuhramt im Berliner Scheunenviertel komplett mit diesen Briefen und verwandelte das Gebäude so in ein Denkmal der Gefühle.
Soziales Engagement steht im Mittelpunkt von Schults Arbeit. Die fünf roten Zeitungsboxen, die er als Rahmen für die Fotografien nutzte und die hier präsentiert werden, verweisen auf sein künstlerisches Charity-Projekt Verlust bringt Gewinn. Bei einem Verkauf spendet Schult den Erlös an den Verein Kunst hilft geben e. V. zur Unterstützung von Wohnungslosen.
INFORMATION
Dieses Werk befindet sich im Obergeschoss.